Das Projekt
Projektbeschreibung
Österreich war eines der ersten Länder weltweit und innerhalb der EU, welches das Übereinkommen von Paris ratifiziert hat. Damit hat Österreich seine Absicht bekundet, zur Realisierung einer kohlenstoffarmen oder sogar kohlenstofffreien Gesellschaft beizutragen. Dem tatsächlich zu entsprechen, ist allerdings eine Herausforderung: die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft verlangt radikale Änderungen (Rockström et al., 2017). In der Tat ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass der Wandel zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft das Potenzial hat, die gesellschaftliche Landschaft in Österreich erheblich zu verändern. Insbesondere, und wie in der Projektausschreibung erwähnt, wird die Umsetzung dieser Transformation unter anderem erhebliche ethische, wirtschaftliche und rechtliche Auswirkungen haben. Daher ist es besonders wichtig, diese Auswirkungen zu analysieren und Instrumente zu entwickeln, mit denen bewertet werden kann, wie der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft am besten bewältigt werden kann.
Dieses Projekt bringt Forscher_innen aus den Bereichen Moral- und Politikphilosophie, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften zusammen, um genau zu dieser wesentlichen Aufgabe beizutragen. Diese unterschiedlichen Perspektiven sind für die Bewertung der Transformation von zentraler Bedeutung, da die Transformation notwendigerweise Fragen in Bereichen aufwirft, mit denen sich diese Disziplinen befassen. Zum Beispiel: Angesichts der derzeit gut beobachteten hohen Korrelation zwischen Wohlfahrtsniveau und Emissionen (Holtz-Eakin und Selden, 1995; Tucker, 1995) kann die Transformation zu einer kohlenstoffarmen oder kohlenstofffreien Gesellschaft erhebliche Auswirkungen auf die Wohlfahrtsverteilung haben zwischen Personen in Österreich. Wie werden sich diese auf verschiedene Transformationsszenarien auswirken? Darüber hinaus muss die Transformation zumindest teilweise durch politische Instrumente einschließlich gesetzlicher Bestimmungen umgesetzt werden. Nach welchen Kriterien können wir zwischen verschiedenen politischen Instrumenten wählen? Und selbst wenn wirtschaftlich effiziente und rechtlich gültige transformative Richtlinien identifiziert wurden, müssen ethische Fragen beantwortet werden wie: Sind die Verteilungseffekte dieser Richtlinien fair und gerecht? Gibt es signifikante Interessen von Personen - z.B. weiterhin traditionelle Lebensweisen verfolgen - die die Auswahl für die mögliche transformative Politik einschränken? Werden (einige) Betroffene eine Entschädigung für den Schaden gewährt, den sie durch die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft erleiden werden? Jede Analyse und Bewertung möglicher Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft erfordert die Behandlung solcher Probleme. Das vorgeschlagene Projekt bringt daher die erforderlichen Disziplinen Philosophie, Wirtschaft und Recht für eine integrierte Analyse zusammen. Um das Ziel des Projekts in einem Satz zusammenzufassen: Es sollte einen Beitrag zur Ermittlung ethisch vertretbarer, rechtlich gültiger und wirtschaftlich effizienter Wege zur Umsetzung der Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft leisten.
Das Projekt wird das Problem der legitimen Erwartungen (Sidgwick, 1967; Feinberg, 1973; Rawls, 1999; Meyer und Sanklecha, 2011; Meyer und Sanklecha, 2014) als Leitkonzept für die erforderliche Forschung zur Erreichung dieses Ziels anwenden. Aus unserer Sicht ist das Problem der legitimen Erwartungen ein ideales Konzept für die erforderliche interdisziplinäre Analyse der Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft. Dies liegt zum einen daran, dass das Problem der legitimen Erwartungen einerseits einige Schlüsseldimensionen der durch radikale Transformation aufgeworfenen Fragen erfasst und zum anderen das gemeinsame Verständnis und die gemeinsame Sprache schafft. Das sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche interdisziplinäre Arbeit, wodurch die intellektuell sinnvolle Integration der drei Disziplinen ermöglicht wird.
Referenzen
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